Masterstrategien: Ein Serviervorschlag für deinen Informatikmaster am KIT

Ein möglichst objektiver Versuch eine gute Vorgehensweise für den Informatikmaster am KIT zu finden. Kann Spuren von persönlichen Meinungen enthalten.


Man hat gerade mit dem Informatikmaster angefangen, wirft einen ersten Blick ins Modulhandbuch und freut sich über all die interessanten Module, die jetzt auf einen warten. Bevor man sich direkt in das neue Studium stürzt, sollte man sich auch einen Überblick über das komplette Studium machen. Es gibt zwar keine Pflichtmodule mehr, wie im Bachelor, dafür aber einige Regeln, die dem Master Struktur geben sollen. Die relevanten sind vor allem:

  • Seminare (mindestens 3 ECTS)
  • Praktika (mindestens 6 ECTS)
  • Seminare + Praktika (Summe 12-18 ECTS)
  • 4x Stammmodule
  • Masterarbeit
  • Ergänzungsfach

In diesem Post soll es vor allem darum gehen, wie man die Motivation für das Studium nicht verliert und was optimale Strategien sind, um diese Anforderungen möglichst optimal zu erfüllen. Es handelt sich hier natürlich primär um meine Empfehlungen, welche aber auch immer wieder von Kommilitonen bestätigt wurden.

Showstopper

Es scheint allgemeiner Konsens zu herrschen, dass Seminare und Praktika besonders unverträglich mit weiteren Seminaren und Praktika sind. Das liegt vor allem daran, dass man für diese besonders viel Zeit unter dem Semester aufbringen muss und der Arbeitsaufwand auch selten gleichverteilt auf alle Wochen ist. Wenn man zudem noch Vorlesungen nacharbeiten muss, benötigt es sehr strikte Zeitplanung um das erfolgreich unter einen Hut zu bekommen.

Dazu gesellen sich noch die Stammmodule. Stammmodule gelten allgemein als die schlechteren Vorlesungen im Studium. Ich persönlich bin der Meinung, dass die Qualität einer Vorlesung mit dem Grad der Freiwilligkeit korreliert. Zwar ist kein Stammmodul pflicht, aber da man trotzdem vier davon machen muss, konkurrieren Stammmodule in der Qualität der Vorlesung nur mit anderen Stammmodulen. Da die Dozenten von einigen Stammmodulen zudem kein Interesse an einem kompetitiven Wettkampf zu haben scheinen, ist die tatsächliche Menge an wählbaren Stammmodulen sehr überschaubar. Dies erzeugt eine Situation, sehr ähnlich zu der von Seminaren und Praktika: Man möchte eigentlich nicht zu viele davon in einem Semester belegen und man macht sie nur selten mit der gleichen Motivation wie die anderen Vorlesungen.

Möglichst früh, möglichst viel

Man kann sich natürlich direkt in das Lieblingsfachgebiet stürzen, nur kommt dann in der Regel nach 2 Semestern das böse Erwachen: Die nächsten Semester werden nur aus Stammmodulen, Seminaren und dem Ergänzungsfach bestehen: “Wann fängt überhaupt das Ergänzungsfach an? Oh, erst nächstes Semester.”

Und was bis zu diesem Zeitpunkt ein sehr interessantes Studium war, eskaliert plötzlich in 3 Semestern voller Pflichtbestandteile ohne Ende in Sicht. Denn auch wenn die Regelstudienzeit des Masters vier Semester beträgt, ist die Regel eher fünf.

Wer dieser Enttäuschung entgehen möchte, macht sich am besten zu Beginn einen ungefähren Plan und verteilt die weniger schönen Seiten des Masterstudiums gleichmäßig über alle Semester. Das hilft einem nicht nur, die Motivation zu behalten, es gibt einem auch Freiräume, doch noch etwas nach hinten zu verschieben, wenn die Zeitplanung ins Wanken gerät, oder flexibel auf Empfehlungen von Freunden zu reagieren.

Stammmodule, Seminare & Praktika am Anfang

Meine persönliche Empfehlung lautet daher: Im ersten und zweiten Semester jeweils zwei Stammmodule besuchen. Da Stammmodule von Natur aus als Einstiegsvorlesungen gedacht sind (in Bezug auf das notwendige Vorwissen, nicht bezogen auf die Schwierigkeit), lassen sich diese auch als Wechsler ans KIT sehr gut besuchen und verfolgen. Aufgrund der Struktur des Masters, wie ich an anderer Stelle bereits erläutert habe, gibt es gute Gründe, Stammmodule nur teilweise nach Interesse zu wählen. Es lohnt sich möglichst früh zu entscheiden, welche Stammmodule man belegen möchte und in welchem Semester die Vorlesung stattfindet. Zwar lassen sich die meisten Stammmodule auch ohne die Vorlesung gut bestehen, aber manche haben einen Pflichtübungsschein oder keine Videoaufzeichnung, weshalb sich die Teilnahme im jeweiligen Semester lohnt.

Ähnlich verhält es sich mit Seminaren und Praktika. Seminare sind üblicherweise eine schriftliche Ausarbeitung zu einem bestimmten Thema. Man steigt hierbei recht tief in ein Thema ein, was gerade dann ein Problem ist, wenn man vielleicht noch nicht so richtig weiß, in welche Fachrichtung man sich vertiefen möchte.

Praktika sind, wie der Name vermuten lässt, eher praktisch ausgerichtet. Es gibt sowohl Praktika, welche in Kleingruppen stattfinden, als auch Einzelarbeit. Da es nicht besonders viele Möglichkeiten gibt, mit seinen Freunden gemeinsam für das Studium zu arbeiten, empfehle ich, diese Möglichkeit zu nutzen. Der fachbezogene Anspruch ist in Praktika meiner Meinung nach geringer, und innerhalb einer Gruppe kann man Wissenslücken sehr gut gegenseitig schließen. Da die Teilnehmer in einem Praktikum dieses freiwillig ausgewählt haben, ist die Motivation auch ungleich höher als bei der Praxis der Softwareentwicklung (PSE) im Bachelor.

Seminare

Im Master rotieren die zur Verfügung stehenden Seminare sehr häufig, und die Verfügbarkeit hängt nicht selten auch von der aktuellen Lebensplanung der verantwortlichen Mitarbeiter ab. Wenn man also in einem Thema ein ganz besonderes Interesse hat, lohnt es sich durchaus, im vorherigen Semester kurz Kontakt zum letzten Verantwortlichen aufzunehmen. Nicht selten kann man sich hierbei auch schon einen Platz sichern oder zumindest bekannt machen, was einem dann eventuell später ermöglicht, einen Kulanzplatz zu erhalten, obwohl der Kurs bereits voll ist.

Ich empfehle zwar nicht direkt den Master mit einem Seminar zu beginnen, doch je früher man sich um einen Seminarplatz bemüht, desto mehr Zeit hat man ein neues Seminar zu suchen, sollte doch etwas schiefgehen.

Praktika

Meiner Meinung nach sind Praktika die Perlen am KIT. Man lernt nicht nur besonders viel im Austausch mit Kommilitonen, sondern baut auch sein Netzwerk aus und lernt Gleichgesinnte kennen. Gerade nach dem Studium ist es sehr hilfreich, wenn man ein großes Netzwerk aus Kontakten hat, mit welchen man sich über den Arbeitsmarkt und die Karriere unterhalten kann. Ich würde daher jedem empfehlen, die verfügbaren ECTS an Praktika zu nutzen, sofern die restliche Zeitplanung das erlaubt.

Stammmodule

Ich würde empfehlen, genau zwei Stammmodule nach Interesse für die zwei gewählten Vertiefungsfächer zu wählen. Mehr als ein Stammmodul pro Vertiefungsfach bringt aus Sicht der Prüfungsordnung keinen Vorteil, sodass man die verbleibenden zwei nach anderen Gesichtspunkten wählen soll: Schwierigkeitsgrad und Interesse (vermutlich auch in dieser Reihenfolge). Es gibt meiner Meinung nach wirklich massive Unterschiede in der Qualität und Schwierigkeit der Stammmodule. An dieser Stelle empfehle ich auch dringend den Austausch mit anderen Studenten, um mehr als nur eine Meinung bezüglich Schwierigkeiten von verschiedenen Modulen zu bekommen. Ganz allgemein gibt es aber ein paar Vorlesungen, die als besonders notenfreundlich gelten:

  • Rechnerstrukturen: Schließt nahtlos an Technische Informatik I + II (aka Rechnerorganisation und Digitaltechnik) aus dem Bachelor an. Hier werden Details über Prozessorarchitekturen, Mikrocode, Schaltnetzwerke und Mehrkernsysteme betrachtet. Die Vorlesung würde vermutlich von einer moderneren Themenauswahl profitieren. Die Klausur besteht fast vollständig aus denselben Aufgabentypen.
  • Mensch-Maschine-Interaktion: Die Vorlesung verspricht objektive Grundlagen zur Entwicklung von Mensch-Maschine-Schnittstellen zu vermitteln. Was sehr positiv anfängt, bewegt sich von dort aber auch nicht wirklich weiter. Die Klausur fragt sehr ziellos verschiedene Themenbereiche ab, die sich zwar gut auswendig lernen lassen, aber gelegentliche Fragen zu Details auf einzelnen Folien oder Konzepten, die nur in einer Live-Demonstration vorgestellt wurden, machen das Erreichen einer sehr guten Note von Glück abhängig.
  • Telematik: Fortsetzung der Themen aus Rechnernetze und seit einigen Jahren sogar ohne ISDN. Die Vorlesung behandelt relevante Themen aus dem Bereich von vernetzten Systemen, die eine hohe praktische Relevanz haben und sich gut lernen lassen. Wer weitreichende Netzwerkkenntnisse besitzt, kommt sogar mit weniger Lernaufwand aus. Die Klausur ist fair und berechenbar.
  • Formale Systeme: Vermutlich das beste Stammmodul, wenn man persönliche Interessen ausblendet. Es gibt Videoaufzeichnungen, eine umfangreiche Sammlung mit Übungsaufgaben inklusive ausführlicher Lösung. Der Schwerpunkt der Vorlesung sind aussagenlogische Formeln sowie verwandte Themen. Das sind nicht nur Themen, die meiner Meinung nach im Informatikbachelor zu kurz kommen, es sind auch Grundpfeiler der Informatik. Die meisten Aufgaben sind sehr ähnlich zu Kreuzworträtseln oder Sudoku und machen entsprechend Spaß zu lösen.
  • Softwaretechnik 2: Der Nachfolger von Softwaretechnik 1 oder Programmieren 2. Wie auch immer man die Vorlesung betrachten möchte, setzt sie im Prinzip die Ausbildung als Softwareentwickler fort. Weitere Entwurfsmuster, mehr Fokus auf echte Softwareentwicklung, ein bisschen Requirements Engineering und natürlich auch wieder UML. Nichts Besonderes, aber relevant für nahezu jeden Karrierepfad, mit einer Klausur, die kaum Überraschungen enthält.

Darüber hinaus gibt es noch zwei Stammmodule, die ich zwar nicht uneingeschränkt empfehlen möchte, aber die meiner Meinung nach trotzdem einen Blick wert sind:

  • Computergrafik: Für mich mit Abstand das beste Stammmodul, auch wenn an dieser Stelle erwähnt sein sollte, dass ich einen sehr großen Teil meines Studiums und vor allem meiner Freizeit in Computergrafik investiert habe. Die Vorlesung leidet leider seit einigen Jahren an dem extrem schlechten Ruf der Klausur, welcher bedauerlicherweise auch gerechtfertigt ist. Die Vorlesung selbst ist mit Abstand die beste Vorlesung, die ich am KIT besucht habe. Teil des Moduls ist ein Pflichtübungsschein, in welchem man über mehrere Aufgabenblätter verschiedene Themen der Computergrafik vertiefen muss. Die Übungsblätter erscheinen im Rhythmus von zwei Wochen und die meisten brauchen vermutlich 1-2 Tage für die Bearbeitung. Das ist kein zu unterschätzendes Zeitinvestment, aber insbesondere die Übungsblätter sind sehr spannend. Man bekommt immer ein Framework, in welchem man nur sehr selektiv das behandelte Feature implementieren muss, während alles andere bereits vorgegeben ist. Der Aufbau lädt zudem auch etwas zum Experimentieren ein. Die abschließende Klausur hat einen sehr großen Umfang und stellt hohe Ansprüche, sodass man neben Zeitdruck auch mit komplexen Aufgaben konfrontiert wird. Wer andere Vorlesungen aus dem Bereich Computergrafik hören möchte, kommt an der Vorlesung aber ohnehin nicht vorbei.
  • Algorithmen 2: Früher eine gottlose Pflichtvorlesung (und daher auch aus dem Pflichtteil des Bachelors geflogen). Entsprechend meiner eingangs erwähnten Theorie bezüglich Freiwilligkeit und Qualität hat sich auch Algorithmen 2 stark geändert. Die Vorlesung behandelt Graphenalgorithmen, bewertet approximative Algorithmen und, neben anderen Themen, Stringology, also das Verarbeiten von Strings, insbesondere Textkomprimierung und -suche. Wer sich häufiger in Binärformaten kommerzieller Anwendungen wiederfindet oder seinen Horizont in klassischen Informatikthemen erweitern möchte, findet hier interessantes Wissen, welches etwas in Vergessenheit geraten ist. In dieser Hinsicht merkt man der Vorlesung auch noch ihre Vergangenheit als Pflichtvorlesung an. Leider hat auch die Schwierigkeit der Algorithmen 2 Klausur in den letzten Jahren etwas zugenommen. Es lohnt sich also, vorab zu informieren.

Ein Wort zu Masterprofilen

Wertlos.

Es interessiert sich wirklich niemand dafür, dass in eurem Zeugnis noch ein extra Papier drin liegt. Wenn ihr am Ende eures Studiums merkt, dass ihr zufällig die Anforderungen für ein Profil erfüllt, nehmt es mit, ansonsten lasst es bleiben. Für ein Masterprofil muss man üblicherweise so viele Vorlesungen aus derselben Fachrichtung hören, dass dieselbe Regel wie beim Stammmodulen gilt: je niedriger der Grad der Wahlfreiheit, desto niedriger die Qualität. Es ist nahezu unmöglich, ein Masterprofil zu erfüllen, ohne die richtig schlechten Vorlesungen mitnehmen zu müssen. Zuletzt muss man seine Abschlussarbeit ebenfalls im Fach des Profils abschließen und manche Fächer haben gar kein Profil.

Zusammenfassung

Noch einmal kurz meine Handlungsvorschläge für neue Masterinfos in aller Kürze:

  • Jeweils zwei Stammmodule im ersten und zweiten Semester
  • Schlüsselqualifikationen mit 6 ECTS voll machen
  • Ab dem zweiten Semester immer genau ein Seminar oder Praktika belegen
  • Praktika mit Gruppenarbeit vorziehen
  • Ergänzungsfach im ersten Semester planen(!)

Und abschließend natürlich der Hinweis, dass es sich hier nur um meine persönliche Empfehlung handelt, welche ich hoffentlich auch ausreichend begründen konnte. Abweichende Vorgehensweisen sind natürlich ebenfalls möglich, wenn man dafür gute Gründe hat.

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